Ab in die Schweiz?

Sezession – dieser Begriff ist vermutlich bei vielen mit „böse“ assoziiert. Man denkt an die Südstaaten, die mittels Sezession angeblich nur die Sklaverei erhalten wollten – und weiß nicht, dass die Verhältnisse doch etwas anders lagen.

Doch bewegen wir uns weg von der Vergangenheit der Vereinigten Staaten hin zur Gegenwart Europas und insbesondere Deutschlands. Vor ein paar Monaten veröffentlichte Albrecht Prinz von Croy den Artikel Was, wenn ein Bundesland wirklich ernst macht?. In diesem Artikel beschäftigt er sich mit der Möglichkeit, dass sich eines der reicheren Bundesländer von der Bundesrepublik abspaltet.

Elmar Oberdörffer schlug darauf hin in einem Kommentar zum Artikel einen Austritt Bayerns und Baden-Württembergs aus Deutschland und der EU sowie die Bildung einer Wirtschaftsgemeinschaft dieser Länder mit der Schweiz vor. Verrückt? Nun, mittlerweile haben führende Politiker der Schweizerischen Volkspartei ganz ähnliche Gedanken geäußert. Sie fordern eine Änderung der Schweizer Verfassung, die es an die Schweiz grenzenden Regionen erlauben soll, der Schweiz beizutreten.

Natürlich erntete dieser Vorstoß Gegenwind von den Mainstream-Medien. So schrieb z.B. Die Welt in ihrem Artikel SVP will Baden-Württemberg der Schweiz angliedern polemisch, dass der SVP „die Schweiz offenbar zu klein“ sei und die Forderung „wie ein Aprilscherz“ klingen würde. Außerdem bezeichnete sie die SVP natürlich mehrfach als „rechtspopulistisch“, was heute anscheinend obligatorisch ist bei Parteien, die nicht ein gefordertes Mindestmaß an linken Ideen vertreten.

Die im Artikel zitierten Aussagen aus den Reihen der SVP klingen allerdings gar nicht so unvernünftig. So begründete der SVP-Politiker Dominique Baettig den Antrag damit, dass die für einen Beitritt in Frage kommenden Regionen „unter dem Mangel an Interesse der jeweiligen nationalen und europäischen Classe Politique gegenüber ihren Anliegen“ leiden würden. Damit hat er vermutlich recht. Außerdem meinte Baettig: „Ihre Integration in die Eidgenossenschaft wäre für beide Seiten von Vorteil und würde keine unlösbaren politischen Probleme zur Folge haben.“ Diese Aussage ist schon ein großer Fortschritt für eine Partei, aus deren Reihen vor kurzem noch Kritik an den Deutschen in der Schweiz kam.

Warum nun die ganze Aufregung? Die SVP-Politiker wollen die besagten Gebiete doch nicht annektieren. Sie wollen sie der Schweiz angliedern, „wenn die Mehrheit der dortigen Bevölkerung ein solches Begehren stellen würde“, wie Die Welt Herrn Baettig zitiert. Die Empörung hat m.E. zwei Gründe. Zum einen gelten vielen Leuten Staaten als heilig. Eine Verrückung der Staatsgrenzen ist demgemäß eine Art Sakrileg. Zum anderen gibt es derzeit gerade bei Politikern und Medienschaffenden eine Abneigung gegen die Schweiz, weil sie eine unliebsame Konkurrenz ist. Mit den positiven Früchten ihrer freiheitlicheren Politik stellt sie das marode Wohlfahrtssystem Deutschlands in Frage. Und so hat die Schweizer Regierung völlig recht, wenn sie laut Welt feststellt, dass die Nachbarstaaten eine entsprechende Revision der Bundesverfassung „als Provokation auffassen könnten“ und diese „die Beziehungen zu den betroffenen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich in schwerwiegender Weise beeinträchtigen“ würde.

Die Forderung der SVP-Politiker ist allerdings urliberal. Im Abschnitt III.2 seines Buches Liberalismus schreibt Ludwig von Mises:

Das Selbstbestimmungsrecht in bezug auf die Frage der Zugehörigkeit zum Staate bedeutet also: wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflußt vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, daß sie nicht in dem Verband jenes Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbständigen Staat bilden wollen oder einem anderen Staate zuzugehören wünschen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam verhindern.

Leider sind aber die heutigen Staaten von diesem liberalen Ideal weit entfernt. Dabei wäre die Sezession eines Bundeslandes laut Herrn von Croy mit dem Grundgesetz vereinbar. In dem oben erwähnten Artikel zitiert er den Juristen Prof. Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin wie folgt:

Unsere deutsche Verfassung sieht keine Abspaltung eines Bundeslandes vor. Aber: Völkerrechtlich ist das keineswegs ausgeschlossen und sogar realistischer, als viele glauben.

Wenn das stimmt, muss man sich fragen, warum der Schweizer Bundesrat laut dem Welt-Artikel behauptet, die von den SVP-Leuten gewünschte Verfassungsänderung würde das Völkerrecht verletzen. Sind die Bundesratspolitiker juristisch versierter als der Staatsrechtler Battis?

7 Gedanken zu „Ab in die Schweiz?

  1. Kokospalme Autor

    Die Freie Welt meldete kürzlich folgendes:

    Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien aus dem Jahr 2008 hat nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Das stellte der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Rechtsgutachten fest. Die Begründung der Richter: es gebe im internationalen Recht kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen.

    Das untermauert die Aussage von Prof. Battis, dass auch Abspaltungen von Bundesländern völkerrechtlich okay sind.

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